Meine Stilreise

Meine eigene Stilreise war eine lange Strecke mit Umwegen. Jede Verirrung brachte wertvolle Erkenntnisse darüber wie ich nicht bin. Rückblickend würde ich keinen Schritt missen wollen.

Per Zufall kam ich 2007 zu einer professionellen Farbberatung nach dem üblichen Saison-Konzept: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die Beraterin gab sich viel Mühe und nahm sich ausreichend Zeit. Irgendwie war es trotzdem schwierig, zu einer eindeutigen Einschätzung zu kommen. Nach gefühlten tausend Tüchlein, die mir ums Kinn gelegt worden waren, wurde ich als Frühlings-Typ eingestuft. Damit war mein geliebtes Schwarz tabu. Zwar habe ich versucht, mich daran zu halten, landete aber immer wieder bei schwarzen Kleidungsstücken.

Schwarz erschien mir ausgesprochen praktisch. Man kann nicht aus Versehen beim Farbton knapp daneben liegen. Schwarz ist definitiv. Daher passen schwarze Hosen immer zu schwarzen Blazern und schwarze Gürtel zu schwarzen Taschen. Meinem ERDigen Bedürfnis nach Präzision kam diese Kombination am nächsten.

Mein Farbfächer gab zwar ein fröhliches Kermit-Grün her und auch ein lustiges Orange, das ich sehr mochte. Sonst waren die Töne eher nicht in meinem Repertoire. Anfangs versuchte ich, mich an die neue Skala zu halten. Beim Shoppen landete ich aber immer wieder bei „falschen“ Farben. Irgendwann habe ich aufgegeben und einfach weiter Schwarz und Dunkelblau gekauft mit ein paar weißen Teilen und etwas Rot ab und an.

Der zweite Anlauf

2018 bekam ich unverhofft eine Farbberatung geschenkt. Die Paletten dieses neuen Konzepts waren vielschichtiger und entsprechend gab es eine Menge mehr an Typen. Ich reiste nach Berlin, um mein Geschenk in Empfang zu nehmen. Die Auswertung ergab das genaue Gegenteil der ersten „Diagnose“: dunkle, leuchtende, blaustichige, also kühle Farben sollten es sein – statt hell und gelbstichig, also warm.

Vom Schwarz und vom Weihnachtsrot wollten mich die Beraterinnen abermals abbringen. Anthrazit und Magenta standen mir gemäß der Tücherexperimente angeblich besser. Allein ich wollte das Schwarz nicht lassen und das Pink nicht tragen.

Erst als ich mich später mit meinem Stil beschäftigt habe, wusste ich warum: Wenn eine Farbe zum Stil gehört, dann ist es stimmig, sie zu verwenden – auch wenn sie nicht ideal zum Teint oder zur Haarfarbe passt. Und umgekehrt: Wenn eine Farbe zum Stil nicht passt, dann kann sie noch so gut mit den Eigenfarben harmonieren, man wird sich mit ihr nicht richtig wohlfühlen.

Als neue Empfehlung nahm ich Ultraviolett mit nach Hause. Die Farbe lag gerade im Trend, es war also möglich, sich ein paar Teile im exakt gleichen Ton anzuschaffen. Leuchtendes Smaragdgrün kam auf die Einkaufsliste und wartete darauf, dass ein Modetrend mir ein paar Teile in der begehrten Farbe beschert.

Farben – Klappe die dritte…

Durch den Tipp einer Kollegin aus dem Online-Mode-Studium kam ich auf David Zyla. Von ihm habe ich gelernt, wie ich meine Eigenfarben selbst bestimmen kann. Die Ergebnisse dieser Auswertung erlebe ich als Offenbarung. Endlich, endlich sind die Farbkombinationen so stimmig an mir, dass ich richtig aufatme, wenn ich in den Spiegel blicke. Rötungen und Unregelmäßigkeiten treten optisch zurück, die Augen leuchten und der Eindruck eines harmonischen „Gesamtkunstwerks“ entsteht. Ich bin angekommen. Bei mir.

Und was soll ich sagen?! Der Farbfächer aus der ersten Beratung 2007 beinhaltet sämtliche meiner Eigenfarben!!! Die Lösung wäre gewesen, leuchtende Töne zu ignorieren und sich stattdessen auf gedämpfte Nuancen der Frühlings- und Herbstpalette zu konzentrieren. Schwarz als stilgebend zu erkennen, statt es aus farblichen Gründen ausmerzen zu wollen, hätte die ganze Entscheidung sehr entspannt.

Auf der Suche nach dem Stil

Ein paar Monate nach der zweiten Farbberatung reiste ich noch einmal nach Berlin, um eine Stilberatung in Anspruch zu nehmen. Ich brachte einige Lieblings-Kombinationen sowie meine Schrankhüter mit. Schon beim Zusammenstellen zu Hause fiel mir auf, was die eine und die andere Kategorie jeweils ausmachte. Die Selbsterkenntnis wurde durch die Beratung noch vertieft und bestärkt.

Meine bevorzugten Ensembles bestanden zu der Zeit aus Jeans und Blazer. Diese Kombination führte zur Vermutung, dass ich sowohl klassische als auch bodenständige Anteile in meiner Stil-DNA habe. Für klassisch sprach zusätzlich die Qualität: Alle Teile waren hochwertig in Material und Verarbeitung. Am deutlichsten war das bei Schuhen, Taschen und Handschuhen erkennbar: Das Leder war weich und glatt, die Nähte unsichtbar. Der sanfte Schwung meiner Haare und andere Wellen in meiner Erscheinung sowie streichelweiche Stoffe aus Velours und Wildleder legten nahe, dass zusätzlich ein sinnlicher Stilanteil in mir schlummerte. Und zu guter Letzt war immer wieder eine Prise Humor in meinen Outfits sichtbar, z.B. ein witziger Mops-Anhänger baumelt an der erz-konservativen Lady-Bag, einer strukturierten Damenhandtasche aus steifem Material mit Henkeln.

Schrankhüter – nur eine Frage der Kombination?

Die Stücke, die ich nicht trug und trotzdem nicht loslassen konnte, verschafften mir ebenfalls aufschlussreiche Einsichten. Sie waren durch die Bank mit Tiermustern versehen. Außer beim Kneipenbummel in Berlin hatte ich noch nie das Kofferkleid getragen, das von oben bis unten nach Leo ausschaut. Ein Trenchcoat in Animal Print und ein getigertes Tüchlein gehörten ebenfalls in diese Rubrik. Schade, schade, schade, dass ich damals auf die Beraterinnen gehört und die ungetragenen Lieblingsteile weggegeben habe. Heute wüsste ich, wie ich manche davon geschickt kombiniert in meine Garderobe einfügen kann.

Die Stilberatung war mir wertvoll. Sie war ein wichtiger Meilenstein meiner Reise. Auch wenn dabei ein paar Details fehlgedeutet wurden. Wie sollte es anders sein?! Zwei Damen, die ich zum zweiten Mal in meinem Leben traf, blickten tief in meine Seele und versuchten, meine Eigenarten zu ergründen. Es war nicht verwunderlich, dass sie zwar eine praktisch verwertbare Richtung vorgeben konnten, aber am Wesentlichen knapp vorbei lagen.

Das Wesentliche im Blick

Die Essenz meines Stils habe ich selbst herausgefunden. Im Rahmen meines Studiums an einer Online-Mode-Akademie stellte die Dozentin uns unter anderem die Frage nach Epochen und Filmfiguren, mit denen wir uns verbunden fühlen. Und da machte es plötzlich Klick…

Dabei war mein Stil schon auf den Fotos von meiner Asien-Rundreise in 2008 zu erahnen:

Hier sitze ich in einem schicken Hotel in Singapur und genieße die kosmopolitane Atmosphäre. Perlmutt-Schmuck, Hosenanzug und Champagner. Erinnert diese Kombination Sie an eine bestimmte Epoche?

Okay, das war leicht. Schauen wir uns den zweiten Stilanteil in einer Andeutung an:

Hier habe ich ab morgens um vier im Dschungel von Malaysia eine Anhöhe erklommen, um den Sonnenaufgang zu bewundern.

So viel verrate ich: Der Film heißt nicht nicht Indiana Jones. Eine Motorradlederjacke sowie Sonnenbrillen sind für diese Facette unentbehrlich. Und der Stil erklärt, warum ich das Schwarz unmöglich loslassen kann 🙂

Jaaa, Stilanteile dürfen sehr gegensätzlich sein. Ein gekonnter Stilmix macht dann den besonderen Reiz aus und jedes Outfit wird in authentischer Weise einzigartig.